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Anlässlich des 90. Jahrestags des „Tag von Potsdam“ hat der Lernort Garnisonkirche neue Recherchen und Forschungen erstellt, nicht zuletzt, um den Entlastungmythen, die im Zusammenhang mit dem Wiederaufbauprojekt Garnisonkirche Potsdam entwickelt und verbreitet worden sind, entgegenzutreten. Der Tag von Potsdam war nicht lediglich eine dreiviertel Stunde Missbrauch der Kirche, der aus Sicht der Nationalsozialisten zudem weitgehend missglückt sei, wie es heißt. Ganz im Gegenteil, diese symbolische Geburtsstunde des „Dritten Reichs“ hatte an diesem Ort eine 14-Jährige Vorgeschichte, ohne die das Ereignis nicht zu verstehen ist. Seine umfassenden propagandistischen Verwertung in der NS-Propaganda zeigt die Relevanz für die Etablierung und Legitimierung der NS-Diktatur (Hierzu der Beitrag „Eine Stunde Missbrauch?“ von Philipp Oswalt sowie die gleichnamige Veranstaltung am 24.3.2023 in der Stadt- und Landesbibliothek). Zwei weitere Beiträge des Themenschwerpunkts fokussieren die Propganda zum Tag von Potsdam am Beispiel des Films (Ralf Forster: Der „Tag von Potsdam“ und die Medien) und von Münzen (Helmut Caspar: Gedenkmünzen und Medaillen zum „Tag von Potsdam“).
Religionssoziologisch interpretiert Werner Freitag in seinem Beitrag den Tag von Potsdam als Heilsversprechen. Zugleich stellt er die reichsweiten Feierlichkeiten am Beispiel Westfalens da.(Nationale Mythen und kirchliches Heil: Der „Tag von Potsdam“).
Drei Originaltexte dokumentieren die schuldhafte Verwicklung der protestantischen Kirche in den Tag von Potsdam: Zum ersten die Predigt des Generalsuperintendenten der Kurmark, Otto Dibelius, zum Tag von Potsdam„Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?“. Während Dibelius in der Predigt die neuen Machthaber freudig begrüßt, blickt er 10 Tage später darauf im Evangelisches Sonntagsblatt‘ erfreut zurück. Nicht weniger positiv erinnert sich der ehemalige Potsdamer Garnisonpfarrer Johannes Kessler an den Tag von Potsdam in seinen 1935 erschienen Memoiren, die nach 1945 in der Bundesrepublik mehrfach neu aufgelegt worden waren.
Matthias Grünzig beleuchtet die Vorgeschichte des Tages von Potsdam („Der Geist von Potsdam“ gegen den „Geist von Weimar“) und analysiert den Tag selbst – von den Entscheidungsprozesse im Vorfeld bis hin zu seinen Auswirkungen (Der „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933).
Manfred Gailus fokussiert in zwei Analysen die Figur des Generalsuperintendenten der Kurmark Otto Dibelius, zum einen sein Rolle am Tag von Potsdam (Ein großes, freudiges „Ja“ und ein kleines, leicht überhörbares „Nein“), zum anderen sein Agieren im Verlauf des Umbruchsjahrs 1933 (Otto Dibelius im Jahr 1933).
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