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Appell des Lernorts Garnisonkirche vom 21. Juli 2022
Der „Ruf aus Potsdam“ von Januar 2004, der bis heute dem Wiederaufbauprojekt der Garnisonkirche Potsdam zu Grunde liegt, ist geprägt von Argumenten der „Neuen Rechten“ und dem damaligen Bemühen, die von dem rechtsradikalen ehemaligen Bundeswehroffizier Max Klaar geleitete Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel in das Projekt einzubeziehen. Klaar hatte zwar wegen geringfügiger Differenzen den Aufruf selbst nicht unterzeichnet, dahingegen aber sein engster Mitstreiter Burkhart Franck wie auch Alexander Gauland, damals Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Auf Initiative von Gauland traf sich der Schirmherr des Projektes, Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm mit Klaar und Gauland im März 2004 und machte Klaar Zugeständnisse zur Ausgestaltung des Projektes, die er im Folgenden auch durchsetzte.
Der Text des „Rufs aus Potsdam“ folgt zu einem guten Teil dem Argumentationsmuster des im Februar 1990 veröffentlichen und in seiner Wirkung so erfolgreichen „Rufs aus Dresden“, jedoch mit einem wichtigen Unterschied: Während letzterer ein klares Eingeständnis der deutschen Kriegsschuld enthielt, artikuliert der Ruf aus Potsdam eine Opferperspektive, spricht anklagend von Missbrauch, Hinrichtung und Rechtsstaatswidrigkeit.
Die Geschichte der Kirche wird beschönigt, der Tag von Potsdam als Missbrauch des Ortes dargestellt, obwohl dokumentiert ist, dass Generalsuperintendent Otto Dibelius maßgeblich zu seinem Zustandekommen beigetragen und die Machtergreifung in seiner Predigt am 21. März 1933 begrüßt hatte. In diesem Zusammenhang stilisiert der Aufruf die in der Harzburger Front vereinten Steigbügelhalter der Nationalsozialisten zu ihren vermeintlichen Gegnern.
Der Bombenangriff auf Potsdam wird als überflüssiger Zerstörungsakt und damit quasi als Kriegsverbrechen beschrieben, obwohl belegt ist, dass er der militärischen Infrastruktur in Vorbereitung auf den Angriff auf Berlin galt. Da die Wehrmacht trotz hoffnungsloser Lage nicht bereit war zu kapitulieren, blieb den Alliierten nichts übrig, als bis zum bitteren Ende zu kämpfen.
Der Aufruf zeichnet ein idealisiertes und verfälschtes Bild der Kirchengeschichte, das in deren angeblicher Rolle für den Widerstand des 20. Juli 1944 mündet. Dabei hat die Forschung längst erwiesen, dass die Garnisonkirche kein Ort des Widerstands, sondern eine ihrer beliebten Kultstätten des Nationalsozialismus war. Schon spätestens seit Mitte des 19. Jahrhundert diente die Potsdamer Garnisonkirche der Erziehung zum Gehorsam, zu undemokratischem und kriegsverherrlichendem Geist, zu völkischem und rassistischem Gedankengut. Doch zur Problematik der Kirche als Ausgangspunkt und Legitimationsort menschenverachtenden Denkens und unsäglichen Kriegsverbrechen wie dem Völkermord an den Herero und Nama findet sich im Ruf aus Potsdam kein Wort.
Es ist ein Skandal, dass die kirchliche Stiftung Garnisonkirche sich in ihrer Satzung bis heute auf den „Ruf aus Potsdam“ bezieht und die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam erst kürzlich dies nochmals bekräftigt hat. Es ist dringend notwendig, dass sich der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Garnisonkirche kritisch mit dem Ruf aus Potsdam befasst. Wir fordern Stiftung und Fördergesellschaft auf, sich von den geschichtsrevisionistischen Formulierungen des Rufs aus Potsdam zu distanzieren und dahingehend die Satzung der Stiftung zu ändern.
Der wissenschaftliche Beirat des Lernorts Garnisonkirche
Prof. Dr. Micha Brumlik,
Prof. Dr. Michael Daxner
Prof. PhD. Geoff Eley
Prof. Dr. Manfred Gailus
Dr. Matthias Grünzig
Prof. Dr. Susannah Heschel
Prof. Dr. Horst Junginger
Dr. Linda von Keyserlingk-Rehbein
Dr. Anette Leo
Prof. Dr. Andreas Pangritz,
Dr. Agnieszka Pufelska
Prof. Dr. Wolfram Wette
sowie
Gerd Bauz
Carsten Linke
Prof. Dr. Philipp Oswalt
Sieh auch: Günter Morsch: Der Ruf aus Potsdam von 2004 – ein geschichtsrevisonistisches Statement
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