Der Feldaltar gehört ins Museum, nicht in den Garnisonkirchenturm!

Der histrosche Feldaltar soll in der Kapelle des wiederaufgebauten Kirchturm erneut für den Gottesdients benutzt werden, Bild: Hilmer Sattler Architekten Ahlers Albrecht

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Potsdam, den 26. März 2024

Der im Jahr 1800 hergestellte hölzerne Altartischdiente der Garnisonkirche lange Zeit als Hauptaltar und wurde bei besonderen Anlässen auch im Freien als Feldaltar genutzt.  An dem Altartisch wurden zahllose Soldaten für ihr Kriegshandwerk gesegnet, mit dem sie kurze Zeit später auch schwerste Kriegsverbrechen an Zivilbevölkerungen begingen und Völkermorde verübten.

Beim Aufbruch der Potsdamer Truppen zum Kolonialkrieg in China rief Pfarrer Kessler von diesem Altar aus den in der Garnisonkirche versammelten Soldaten zu: „Ihr seid aber auch die Streiter Gottes, die nicht ruhen dürfen, bis sein heiliges Wort für alle Völker gilt! Nicht Friede darf werden auf Erden, bis das heilige Evangelium der Glaube aller Völker ist. Ihr seid die Pioniere des gekreuzigten Heilands! Darum Hand an das Schwert!“

Nachdem Wilhelm II. der Garnisonkirche aus Repräsentationsgründen einen Marmoraltar gestiftet hatte, fand der alte Altar von 1910–1945 in der Taufkappelle Verwendung. Am 9. August 1914 spielte er beim Feldgottesdienst im Potsdamer Lustgarten, an dem ungefähr 7000 Soldaten teilnahmen, eine zentrale Rolle. Ihnen sprach der neu ernannte  Felddivisionspfarrer Walter Richter im Beisein des Kaisers Gottes Segen für ihren Einsatz im Ersten Weltkrieg zu. Im November des Vorjahres hatte der Hof- und Garnisonprediger Richter den Rekruten bei der Vereidigung im Langen Stall zugerufen: „Was kümmern uns die Hügel unserer Leichen … der deutsche Adler fliegt frei im Licht der eigenen Sonne … Adlerflug vorwärts!“ 1935 leitete der Militärpfarrer der Garnisonkirche Werner Schütz die Vereidigung von 4000 Rekruten auf Adolf Hitler an dem im Lustgarten aufgestellten Feldaltar mit den Worten ein: „Wer als Christ glauben und beten kann, der wird auch seinen Fahneneid halten, wird freudig sein zu jeder harten und schweren Pflicht, auch freudig zum Bluten und Sterben.“

Die Rekonstruktion der Garnisonkirche wurde immer mit dem Argument begründet, dass die wichtigste Militärkirche der Hohenzollern dabei ihre angestammte Funktion verlieren und von einer Kriegs- in eine Friedens- und Versöhnungskirche verwandelt würde. Dieses Anliegen mit einem alterprobten Requisit des preußischen Militärkirchentums zu stützen, ist abwegig und lässt die Friedensrhetorik, die den Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms erst möglich machte, in keinem guten Licht erscheinen. Nähme man den Anspruch ernst, den alten Geist von Potsdam durch einen neuen zu ersetzen, hätte der Feldaltar im gottesdienstlichen Gebrauch heute nichts mehr verloren. Er gehört nicht in die Kirche, sondern ins Deutsche Historische Museum, wo sich bereits die Altardecke befindet, die ihn einst schmückte.

Der Wissenschaftliche Beirat des Lernorts Garnisonkirche fordert daher die Stiftung Garnisonkirche und das Evangelische Pfarramt am Turm der Garnisonkirche auf, auf die Nutzung des Feldaltars in ihren Gottesdiensten zu verzichten. Sie bittet die Eigentümerin des Objektes – die Erlöserkirchengemeinde Potsdam als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Zivilgemeinde der  Garnisonkirche, das Objekt dem Deutschen Historischen Museum (DHM) anzubieten. Das DHM hat bei einer Voranfrage bereits sein grundsätzliches Interesse an der Übernahme des Objektes bekundet.

Der wissenschaftlidhe Beirat des Lernorts Garnisonkirche:

Prof. Dr. Gabriele Dolff-Bonekämper

Prof. Dr. Micha Brumlik

Prof. Dr. Michael Daxner

Prof. Dr. Geoff Eley

Prof. Dr. Manfred Gailus

Dr. Matthias Grünzig

Prof. Dr. Karen Hagemann

Prof. Susannah Heschel

Prof Dr. Horst Junginger

Dr. Annette Leo

Prof. Dr. Andreas Pangritz

Dr. Agnieszka Pufelska

Prof. Dr. Wolfram Wette

In einem Statement gegenüber der Märkischen Allgemeinen Zeitung lehnte Pfarrer Jan Kingreen diese Forderung ab. Darauf schrieben wir ihm folgenden Brief:

Potsdam, 1. April 2024

Sehr geehrter Pfarrer Jan Kingreen,

letzte Woche lehnten Sie in der Presse unsere Forderung, den Feldaltar der historischen Garnisonkirche an das Deutsche Historische Museum zu übergeben, mit den Worten ab: „Es bestreitet kein Mensch: An diesem Tisch haben sich viele Menschen schuldig gemacht. Aber wir nutzen ihn nicht, um widerrechtliche Kriege zu segnen, sondern um hier Friedensgebete zu halten und stellen ein Nagelkreuz darauf, also den Gedanken der Versöhnung.“

Doch die Idee der Versöhnung, wie sie von Stiftung, Fördergesellschaft und Gemeinde an diesem Ort propagiert wird, überzeugt uns nicht. Sie ist für uns kein angemessener Umgang mit der Geschichte des Ortes. Der seit 2001 propagierte Versöhnungsgedanke ist vielmehr eine Deckerzählung, mit welcher die Geschichte des Ortes und die Verantwortung der Institution Kirche kaschiert, beschönigt und verdrängt wird.
Es sei daran erinnert, dass die Einführung dieser Idee mit einer Täter-Opfer-Umkehr verbunden ist. Im Ruf aus Potsdam vom 15. Januar 2004, der quasi der ideelle Grundstein für die nun am Ostermontag 2024 eröffnete Kapelle darstellt und auf den sich die Stiftung Garnisonkirche in ihrer Satzung bis heute beruft, beginnt mit den Worten: „Der Zweite Weltkrieg war bereits entschieden, als ein Luftangriff am 14. April 1945 die Potsdamer Mitte in Trümmer legte. […] Die wieder aufgebaute Kirche soll zu einem Zentrum für Frieden und Versöhnung werden. […] Die Garnisonkirche wurde missbraucht: Am 21.März 1933 nutzten die Nationalsozialisten sie schändlicherweise für eine Inszenierung, die ihre Gegner zu Befürwortern machen sollte.“

Zwei Jahre später hieß es im Vorwort des unter Mitwirkung der Fördergesellschaft herausgegebenen Buchs „Der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche“: „Die Sinnlosigkeit der Zerstörungen noch im Februar 1945 in Dresden, als der Krieg längst entschieden war, steigerte sich noch durch die erbarmungslosen Flächenbombardements auf die Kulturmetropole Potsdam im April 1945 [….] Der britische Angriff auf Potsdam war offenkundig eine brutale Strafaktion und sollte die Deutschen in ihrem historischen Kern, dem ‚Sinnbild des deutschen Militarismus‘ treffen.“

Nichts davon ist wahr. Die Bombardierung Potsdams zielte auf den Hauptbahnhof und die Rüstungsindustrie und sollte den Angriff der Roten Armee auf Berlin zwei Tage vorbereiten und unterstützen. Der Tag von Potsdam wurde von Superintendent Otto Dibelius ermöglicht und von den Militärpfarrern der Garnisonkirche freudig begrüßt.

Wenn aber die Selbststilisierung als Opfer nicht aufgeht, mit welchem Recht kann man dann von Versöhnung sprechen? Können Täter Versöhnung proklamieren? Und was ist mit Versöhnung hier überhaupt gemeint? Der bewußt unkonkrete Begriff gibt für vielfältige Auslegungen Spielraum.

Im Januar 2006 definierte die Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche e.V. in einem Rundschreiben wie folgt: “Die Garnisonkirche soll ein Ort der Versöhnung des Menschen mit Gott und ein Ort der Ökumene sein. […]. Diesem Ziel (nicht aber der Vergangenheitsbewältigung) dient auch die Einbindung der Garnisonkirche und die von Coventry ausgehende Nagelkreuzbewegung.“
Im Juli 2012 plädierte der Vorsitzende der Fördergesellschaft 2012, Burkhart Franck, in einem Zeitungsinterview für den originalgetreuen Wiederaufbau der Garnisonkirche als Ort der „Versöhnung mit der eigenen deutschen Geschichte.“ Drei Jahre später, in einem anderen Interview, äußerte er sich dann folgendermaßen: „Friedens- und Versöhnungsarbeit soll nach unserer gemeinsamen Vorstellung der in die Zukunft gerichtete Schwerpunkt an der Garnisonkirche sein […]. Die schwierigste Frage ist dabei, wer mit wem versöhnt werden kann. Ein erster Gedanke war, hier ein Forum zu bieten für eine Versöhnung zwischen Opfern und Tätern in der DDR.“

Sie als Wiederaufbaubetreiber verfolgen eine Erinnerungskultur der Entkonkretisierung, wie sie Bundeskanzler Helmut Kohl mit seinem umstritten Auftritt in Bitburg 1985 und der Gestaltung der Neuen Wache in Berlin 1993 praktiziert hat (siehe Sabine Moller: Entkonkretisierung der Erinnerung in der Ära Kohl, Hannover 1998). Bis heute fehlt ihrerseits eine kritische Analyse der problematischen Rolle der Garnisonkirche und ihrer Pfarrer im Kaiserreich, der Weimarer Republik und im NS-Regime. Es fehlt genau das, was im positiven Sinne ein Kainsmahl imAalten Testament bedeutet: Ein Schutzzeichen, was durch klare Kenntlichmachung der Verfehlung vor Rache und Bestrafung schützt und somit den Kreislauf der Gewalt durchbricht.
Doch einer solchen Offenlegung und Benennung wollen Sie sich entziehen.

Auch ist die Beschwörung der Versöhnung an diesem Ort unsensibel. Der Tag von Potsdam als symbolische Inthronisierung des sogenannten „Dritten Reichs“ wurde auch als „Fest der nationalen Versöhnung“ und als „Versöhnung des alten mit dem jungen Deutschland“ angesehen. Doppel unsensible und völlig Geschichtsvergessen ist es, dies am Ostermontag, am Feiertag der Auferstehung Christi zu feiern. Denn für die Feinde der Republik war der Tag von Potsdam 1933 ein Tag der Auferstehung, der Wiederauferstehung eines deutschen Reichs, der Wiederauferstehung des Geist von Potsdam, der Wiederauferstehung deutschen Selbstbewußtseins und Macht im Gedenken an fridericus immortalis.

Die Idee der Versöhnung ist als Motto für den wiederaufgebauten Garnisonkirchturm hoch problematisch.

Wir möchten Sie bitten, mit uns darüber ins Gespräch zu kommen, und öffentlich zu diskutieren, was an diesem Ort wie erinnert werden sollte. Herzlich laden wir Sie zu einem Gespräch im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum ein, gerne aber kommen wir auch zu Ihnen.

Mit freundlichen Grüßen

Gerd Bauz, Horst Junginger, Annette Leo, Philipp Oswalt und Agnieszka Pufelska

Für den Lernort Garnisonkirche und seinen wissenschaftlichen Beirat.

Online seit: 26. März 2024

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