Zukunft Rechenzentrum: Lernort widerspricht Stiftung

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Der Lernort Garnisonkirche Potsdam wendet sich als Mieter und Nutzer des Rechenzentrums mit einem offenen Brief an die Stiftung Garnisonkirche, weil er durch deren Agieren die Grundlage seiner Arbeit als gefährdet ansieht.  Die Stiftung Garnisonkirche Potsdam hat die von der Stadt Potsdam angestrebte Verlängerung des Mietvertrags für das Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum kritisiert. Mit dem Schreiben erinnert der Lernort nicht nur an das Plädoyer des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier für eine Koexistenz von Kirchturm und Rechenzentrum, sondern stellt auch klar, dass der Stiftung kein Vetorecht für die gegenwärtige Weiternutzung und Weiterbestand des Rechenzentrums zusteht. Denn die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) hat letzten Herbst selber bekundet, dass „kein Erfordernis zum Wiederaufbau des Kirchenschiffs“ besteht. Ohnehin stelle sich die Frage, was die Stiftung mit ihrem fragwürdigen Agieren überhaupt erreichen will.

Der offene Brief hat folgenden Wortlaut:

Potsdam, den 24. März 2025

Sehr geehrter Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche und Bischof der EKBO Dr. Christian Stäblein, sehr geehrte Stiftungsvorstände Dr. Jan Kingreen, Peter Leinemann und Martin Vogel,

wie Sie wissen, sind wir seit September 2020 Mieter im Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum, betreiben dort eine Ausstellung und führen dort immer wieder Veranstaltungen durch, so auch am vergangenen Freitag, den 21. März 2025.

Anfang dieses Jahres haben Sie die Stadt Potsdam dafür kritisiert, dass diese eine Verlängerung des zum Ende dieses Jahres auslaufenden Mietvertrages für das Kunst- und Kreativhaus anstrebt und einen längerfristigen Erhalt des städtischen Gebäudes erwägt. Etwas unklar bleibt uns, was Sie sich für die Zukunft vorstellen. Wollen Sie, dass die Nutzung des Rechenzentrums beendet und das Gebäude abgerissen wird? Das wäre schwer zu verstehen.

Die Stadt Potsdam folgt mit ihrem von Ihnen kritisierten Beschluss den Worten Ihres Schirmherrn, des Bundespräsidenten Dr. Frank-Walter Steinmeier, der zur Eröffnung ihres Baus am 22. August letzten Jahres sagte:

„Im Stadtbild zeigt das Ensemble von wiederaufgebautem Turm und dem angrenzenden Rechenzentrum aus DDR-Zeiten die Ambivalenzen, die zuzulassen sich lohnt. So wie der Wiederaufbau des Turmes legitim war und bleibt und der Stadt etwas Gutes hinzufügt, so sollte meines Erachtens auch das Rechenzentrum erhalten bleiben.

Beide Gebäude müssen zu einer Koexistenz finden. Spannungsreich wird sie sein, diese Koexistenz, aber sie kann die Stadt in der Auseinandersetzung mit ihren verschiedenen Vergangenheiten wieder zusammenführen. Ich wünsche mir, dass dieses Areal eine Zukunft im Dialog findet, mit offenem Blick für unsere ganze Geschichte.“

Ihr Schirmherr steht damit keineswegs allein. Prof. Dr. Miriam Rürup, Direktorin des Moses-Mendelssohn-Zentrums forderte auf: „Lassen Sie uns den Garnisonkirchturm, so wie er jetzt ist, mit dem Rechenzentrum zusammendenken. Denn nur gemeinsam wird daraus etwas, das als Zeugen vergangener Geschichte zugleich nach vorne verweisen und nicht als Symbol für eine konservative Vergangenheitsträumerei gelesen werden kann.“

Und auch ein prominenter Unterstützer Ihres Bauvorhabens, der langjährige Direktor des Zentrums für Zeithistorischen Forschung Potsdam, Prof. Dr. Martin Sabrow sprach sich für eine dauerhafte Koexistenz von Garnisonkirche und Rechenzentrum aus: „Zusammen erst bringen die beiden Bauwerke in ihrer schroffen Nachbarschaft die Brüche und Umbrüche der deutschen Zeitgeschichte angemessen zur Geltung.“

Zu diesen gewichtigen historischen Argumenten kommt noch eine weitere Tatsache: das Gebäude wird von 300 Kulturschaffenden seit zehn Jahren genutzt, welche von dort aus das Kulturlebens Potsdam wesentlich bereichert haben und dies auch in Zukunft tun wollen. Daran ändert auch die Eröffnung des Kreativquartiers wenig, weil das dortige Raumangebot weder quantitativ ausreichend noch qualitativ ein adäquater Ersatz ist.

Ihnen gehört ein 20%er Anteil des Grundstücks, auf dem sich das Gebäude des Rechenzentrums befindet, und daraus leiten Sie für sich ein Vetorecht ab für alle Fragen, was mit dem Gebäude in Zukunft passiert. Doch das Grundstück wurde Ihnen von der Stadt Potsdam unter klaren Regeln geschenkt, die Ihnen anscheinend nicht mehr präsent sind. Anders als Sie es darstellen, können Sie gegenwärtig weder einen Abriss verlangen noch ein Veto gegen eine Verlängerung des Mietvertrags einlegen. Der Vertrag zur Übertragung des Grundstücks an Sie vom 25.2.2010 legt dazu eindeutig fest: „Die Stiftung ist nur insoweit berechtigt, ihre Zustimmung zur Verlängerung oder zum Neuabschluss von Mietverträgen des vorbezeichneten Inhalts zu verweigern, wie dies zur Realisierung eines konkret anstehenden Bauabschnitts beim Wiederaufbau der Garnisonkirche erforderlich ist.“ Unter gleichem Vorbehalt steht laut Vertrag auch ein Abrissbegehren seitens der Stiftung. Nun ist allgemein bekannt, dass Ihrerseits die Realisierung eines konkret anstehenden Bauabschnitts nicht bevorsteht. Weder gibt es dazu einen Nutzungsbedarf noch eine Finanzierung oder eine Planung. Dies ist – so meinen wir – auch mittelfristig nicht zu erwarten. Die Kirche verliert Mitglieder, muss Gemeinden zusammenlegen und muss Kirchengebäude aufgeben – so auch in Potsdam.

Im August letzten Jahres konnten Sie den Kirchturm eröffnen, der überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde. Ihnen wurde damit sehr großzügig eine Möglichkeit gegeben, Ihrer Arbeit dort in der von Ihnen gewünschten Weise nachzugehen. Doch anscheinend sind Sie mit dem Erreichten nicht zufrieden. Das ist für uns schwer zu verstehen.

Wieso streben Sie den Abriss des Rechenzentrums an? Was soll damit erreicht werden? Wieso sollen relevante Spuren deutscher Geschichte an diesem Ort getilgt werden? Warum wollen Sie den Kreativschaffenden an diesem Ort ihre Räume nehmen und deren Kündigung durchsetzen? Warum wollen Sie erreichen, dass in Zeiten des Klimawandels ein gut nutzbares Bauwerk abgerissen wird? Warum halten Sie in einem Konflikt, der die Stadtgesellschaft spaltet, an Ihren einstigen Interessen nahezu kompromisslos fest?

Ist Ihnen bewusst, dass Ihre Forderungen uns als Lernort Garnisonkirche den Ort unserer Arbeit entziehen? Oder wären Sie bereit, uns in Ihrem Bau Räumlichkeiten für Ausstellungen und Veranstaltungen zu Verfügung zu stellen?

Wir möchten Sie bitten, dass Sie auf Ihrer Kuratoriumssitzung am 8. April Klarheit schaffen und das Recht der Stadt Potsdam anerkennen, über die Zukunft des Rechenzentrums selbstständig zu bestimmen. Intern haben Sie bei der Synode der EKBO im November letzten Jahres zugestanden, dass „kein Erfordernis zum Wiederaufbau des Kirchenschiffs“ besteht. Es wäre wünschenswert, wenn Sie nun auch öffentlich klarstellen und einräumen würden, dieses Ziel nicht mehr zu verfolgen.

Herzlich laden wir Sie ein, unseren Lernort im Rechenzentrum – etwa anlässlich Ihrer Kuratoriumssitzung – zu besuchen und stehen dabei auch gerne für einen Gesprächsaustausch zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Lernort Garnisonkirche und sein Wissenschaftlicher Beirat

Gerd Bauz

Prof. Dr. Gabi Dolff-Bonekämper

Prof. Dr. Michael Daxner

Dr. Hermann Düringer

Prof. Dr. Geoff Eley

Prof. Dr. Manfred Gailus

Prof. Dr. Karen Hagemann

Prof. Dr. Prof. Susannah Heschel

Prof. Dr. Horst Junginger

Dr. Annette Leo

Prof. Dr. Philipp Oswalt

Prof. Dr. Andreas Pangritz

Dr. Agnieszka Pufelska

Online seit: 24. März 2025

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