Warum wird die Turmhaube gebaut?

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Die Stiftung Garnisonkirche ist Pleite. Und gibt Geld aus, was sie nicht hat.

Die Stiftung Garnisonkirche ist Pleite, wie gestern auf der Frühjahrssynode der EKBO berichtet wurde. Sie kann ihre Kredite nicht bedienen. Ihre Einnahmen decken nicht ihre Ausgaben. Als privatwirtschaftliches Unternehmen müsste sie einen Insolvenzantrag unterstellen. Doch untersteht die Stiftung nicht dem Wirtschaftsrecht, sondern dem Kirchenrecht. Und die kirchliche Finanzaufsicht schaut weg, um die gemachten Verfehlungen zu vertuschen.
Denn der Befund ist wenig überraschend. Bereits vor drei Jahren legte der Lernort Garnisonkirche  gemeinsam mit Potsdamer Initiativen eine umfangreiche Recherche vor, die ergab: „Nach der geplanten Eröffnung des Turms wird, anders als von der Stiftung behauptet, dessen Betrieb keinen Überschuss erzeugen, mit der die eingegangenen Kreditverbindlichkeiten bedient werden können. Im Gegenteil ist von einem dauerhaften Defizit von über einer halben Million Euro im Jahr auszugehen, denen keine Einnahmen zur Deckung gegenüberstehen.“ (Q: https://lernort-garnisonkirche.de/unrechtmaessige-stiftungskonstruktion-strukturelles-defizit-und-spendenbetrug/).  
Doch nur mit den geschönten Bilanzen, mit verschwiegenen Kosten und Risiken und aufgeblähten Einnahmen bekam die Stiftung die für den Bau erforderlichen Fördermittel und Kredite. Die Kirche wird die Konsequenzen dieser gezielte Fehlkalkulation ausbaden müssen, auch wenn ihre Entscheidungsträger teilweise bewußt getäuscht wurden. Ungeniert fordert die Stiftung von der Kirche die Stundung der Kredite und eine institutionelle Förderung.
Es fragt sich allerdings, wie es sein kann, dass angesichts dieses sich schon seit langem abzeichnenden Desaster die Stiftung erst vor kurzem – im Januar diesen Jahres –  den Bau der Turmhaube für einen größeren, aber ungenannten Millionenbetrag beauftragt hat. Wie kommt sie dazu, wenn sie ohnehin schon massiv in den roten Zahlen ist, weiteres Geld auszugeben, welches zudem das dauerhafte Defizit im Betrieb nochmals merklich erhöht. Denn die Turmhaube wird keine zusätzlichen Einnahmen generieren, ihr Unterhalt aber einiges kosten. Welche Pfarrstelle wird eingespart, welche Kirche geschlossen werden müssen, um die Gelder aufzutreiben, um den Bau und Betrieb der Turmhaube zu finanzieren?
Und all dies, obwohl (oder gerade weil?) die Turmhaube wegen ihrer Symbolbedeutung heftig umstritten ist. Im März 2021 plädierten viele Prominente unter dem Motto „Keine Kirchturmhaube – Priorität für einen Lernort!“ an die Stiftung, auf den Bau der Turmhaube zu verzichten. (Q: https://lernort-garnisonkirche.de/keine-kirchturmhaube-prioritaet-fuer-einen-lernort/). Zu den Unterzeichnern gehörten die Wissenschaftler Micha Brumlik, Geoff Eley, Hans Ulrich Gumbrecht, Susannah Heschel, Uffa Jensen, Robert Jan van Pelt, Stefanie Schüler-Springorum, James E. Young und Wolfram Wette; die Kulturschaffenden Mo Asumang, Monica Bonvicini, Jochen Gerz, Katharina Hacker, Thomas Heise, Kasper König und Olaf Nicolai; die Architekten HG Merz, Matthias Sauerbruch, Michael Schumacher, Werner Sobek, der Kirchenmann Friedrich Schorlemmer sowie Anetta Kahane (Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung), Franz Nadler (Vorsitzender von Connection e.V., Internationale Arbeit für Kriegsdienstverweigerer und Deserteure, Offenbach) und Ulrich Schneider (Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten).

Die Stiftung reagierte auf unsere Kritik wie folgt:

„Wie auch dauerempörte Kritiker wissen, haben wir zwei Finanzkreise. Zum einen das durch zweckgebundene Spenden und Bundesmittel ausfinanzierte Baugeschehen (Turmhaube) zum anderen den laufenden Betrieb. Selbst wenn wir das wollen würden, könnten wir mit den zweckgebundenen Baumitteln nicht den Betrieb gegenfinanzieren.

Aufgrund der hohen Nachfrage der inhaltlichen Arbeit setzen sich die Stiftung für die Möglichkeit einer institutionellen Förderung ein. Denn nach den ersten sechs Monaten wird deutlich, wie sehr sich der Ort eignet, Fragen nach der Verantwortung für unsere freiheitliche Demokratie zu diskutieren. Der neue Garnisonkirchturm ist dafür ein wichtiges Forum geworden.

Parallel zur Frage einer institutionellen Förderung ist die Stiftung mit den drei kirchlichen Kreditgebern im Blick auf eine Verschiebung der Tilgung der Darlehnen im Gespräch. Dazu müssen das Probejahr 2025 und mögliche Auswirkungen des Baus der Turmhaube in den Jahren 2026 und 2027 auf den
Besucherbetrieb ausgewertet werden.“

Unsere Antwort hierauf:

(1) Die Stiftung hat ihren Geldgebern (BKM) und Kreditgebern (EKBO) vor Jahren zugesichert, dass sie aus eigenen Ressourcen selber den Betrieb gewährleisten kann und sogar einen Überschuss erwirtschaftet, um den Betrieb zu gewährleisten. Ohne diese Zusage hätte sie die Mittel nicht bekommen und bauen können. So hat die Stiftung im April 2016 gegenüber der Synode der EKBO erklärt: „Das Darlehen soll perspektivisch in erster Linie aus Einnahmenüberschüssen nach Errichtung des Turms der Garnisonkirche zurückgezahlt werden. Die Stiftung hat eine entsprechende Einnahmen- / Ausgabenrechnung vorgelegt, die auf realistischen Annahmen beruht. Dabei könnte in den ersten Jahren eine wesentlich höhere Tilgung erfolgen, weil hier auf Zuführungen zur Baurücklage zugunsten der schnellen Tilgung verzichtet werden könnte. Die zinsfreien Darlehen sollen nach Möglichkeit nach zwanzig Jahren; spätestens nach dreißig Jahren komplett an die Darlehensgeber zurückgeführt sein.“
Sie hat bislang nicht dargelegt, wieso sie nicht einhalten kann, was sie zugesichert hat. Wir haben vor drei Jahren dargelegt, warum dieses Behauptung von Anfang an falsch waren. Unsere Kritik hat sich bestätigt, dies „News“ wenig überraschend. Die Stiftung hat 2016 unvermeidbare Kosten und Risiken verschwiegen und überhöhte Einnahmen dargestellGleiches gilt im übrigen für die Baukosten, die immer dahin gerechnet wurden, wie man es brauchte, um eine Hürde zunehmen, die man eigentlich gar nicht nehmen d.h. einhalten konnte. Die Stiftung hat beweisen, dass auf finanziellen Aussagen kein Verlas i

(2) Dieses betrügerische Vorgehen kaschiert sie, in dem sie sich seit vielen Jahren weigert, ihren Geldgebern – des EBKO-Synode und den Steuerzahlern – ihre Finanzen offen zu legen. Und sie kann sich bislang darauf verlassen, dass die kirchliche Finanzaufsicht dies nicht aufdeckt, sondern Stillschweigen bewahrt, um so auch die Beteiligung der Kirchenleitung an diesem Vorgehen zu decken, der ihrerseits ja auch die Finanzaufsicht unterstellt ist. Diese Geheimniskrämerei ist nicht weiter hinnehmbar.

(3) Natürlich gibt es Zweckbindungen bei manchen Geldern, aber es sind keine zwei absolut getrennte Finanzkreise. Die Stiftung weiss die Zuordnung der Gelder zu diesen Kreisen kreative zu nutzen. So hat sie seit Beginn die Spenden (so gut wie) nur für Bauinvestitionen eingeworben, aber im erheblichen Ausmass (d.h. über die Jahre in Millionenhöhe) für ihre laufenden Kosten verausgabt. Auch hat sie mit ihren privaten wie staatlichen Geldgebern wiederholt erfolgreich verhandelt, für ihre jeweils aktuellen Bedürfnisse die Zweckbindung von Gelder zu verändern.

(4) Es ist sehr unwahrscheinlich, dass staatliche Stellen bereit sind, eine institutionelle Förderung aufzunehmen. Die Landeskirche wird daher gezwungen sein, das von Anfang absehbare ständige Defizit trotz aller anderslautenden leeren Versprechen der Stiftung zu decken. Dies ist bitter, weil das heißt, dass dies an andere Stelle weggenommen werden muss, und dort Personal eingespart und/  oder Baulichkeiten (Kirchen) aufgegeben werden müssen. Ein Beispiel: Angesichts der schon ohnehin bestehenden Finanznot wird die Landeskirche die Stelle der  Beauftragten für Erinnerungskultur (bislang Pfarrerin Gardei) wohl nicht neu besetzen, sondern streichen.

(5) Selbst wenn die beiden Finanzkreise hermetisch voneinander getrennt wären, ist es wirtschaftlichen unverantwortlich, dass die Stiftung in ihrer gegenwärtigen Situation den Bau der Turmhaube beauftragt. Dies verursacht zusätzliche und substantielle Betriebs- und Instandhaltungskosten, der keinerlei Mehreinnahmen gegenüberstehen. Es sind da keine nutzbaren Räume vorgesehen. Es verbessert nicht den Ausblick, und es verbessert auch die Möglichkeiten der Kapelle, der Ausstellung- und Seminarräume.

 

Online seit: 6. April 2025

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