Alles ist anders, aber bloß nichts ändern

3

Stellungnahme zum „Konzept für die Dauerausstellung. Glaube, Macht und Militär“ der Stiftung Garnisonkirche Potsdam vom 12. März 2021

Mit dem am Freitag, den 12. März 2021 vorgestellten Konzept der Dauerausstellung vollzieht die Stiftung Garnisonkirche eine grundlegende Änderung ihres Geschichtsbildes. Das jahrzehntelang vermittelte Geschichtsbild erweist sich mit den Darlegungen des neuen Ausstellungskonzeptes als grobe Verfälschung der Geschichte. Darstellungen, für die Kritiker des Wiederaufbauprojektes bislang des Kirchenhasses, der Tatsachenverdrehung und als Ulbrichts Enkel bezichtigt wurden, macht sich die Stiftung nunmehr selbst zu Eigen.

Im neuen Konzept heißt es: „Der preußische Nationalprotestantismus, wie er vor allem in der Potsdamer Garnisonkirche praktiziert wurde, eignet sich nicht als Vorbild für die Gegenwart“ (S. 6), denn die „Nutzung des Gotteshauses als Ort militärischer Selbstvergewisserung“ basierte „insbesondere auf einer Verherrlichung der preußischen und deutschen Kriege“ (S. 16) und sei mit Rassismus, Antisemitismus sowie der Abwertung von Franzosen und Polen (S. 18) verbunden gewesen. Ab 1918 habe die Kirche „als Symbolort des nationalistischen und demokratiefeindlichen Lagers in der Weimarer Republik“ (S. 6) gedient und wurde für eine „antidemokratische, monarchistische, militaristische und nationalistische Symbolpolitik“ (S. 4) genutzt. An diese „republikfeindlichen Traditionslinien knüpfte […]der Staatsakt zur Eröffnung des Reichstags am 21. März 1933 [Tag von Potsdam] an.“ (S.22) „Die Garnisonkirche war keine Keimzelle des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.“ (S. 26)

Seit Projektbeginn haben aber die Betreiber des Wiederaufbaus bis heute ein beschönigendes und idealisiertes Geschichtsbild des Ortes gezeichnet: Die Garnisonkirche Potsdam sei „nationales Tafelsilber“ (aktuelle Website der Stiftung) und stehe „für christliches verantwortetes Handeln für die Gemeinschaft, für die Verbindung von christlichem Glauben und ‚preußischen Tugenden‘“ (Flyer von 2015). Es hieß, „die positiven Traditionen, die von dieser Kirche ausgingen“, seien zu unrecht verschwiegen worden (Andreas Kitschke, Gründungs- und Vorstandsmitglied der Fördergesellschaft, 2000). Denn „die Garnisonkirche stand und steht für christliche Tugenden“ (Schirmherr Jörg Schönbohm 2000), die „uns verpflichtet, an ihrer zeitlos gültigen Botschaft festzuhalten“ (Schönbohm 2002). „Preußische Tugenden, die sich in dieser Kirche symbolisch vereinigten, sprechen die Menschen auch heute noch an, weil sie zeitlos gültig sind.“ (Schönbohm 2000)

Es hieß, in der Kirche sei eine „Keimzelle des Widerstandes“ gegen das NS-Regime gewesen (Manfred Stolpe 2006), hier hätten die Attentäter des 20. Juli 1944 ihr „Gewissen geschärft“ (Stadtkirchenpfarrer Markus Schütte 2005), der Tag von Potsdam sei ein dreiviertelstündiger „Missbrauch“ ihrer hehren Werte gewesen (Kitschke 2000). Und so sei sie zum Opfer von Nationalsozialismus, Bombenkrieg und DDR-Diktatur geworden, der Wiederaufbau sei eine überfällige Wiedergutmachung ihrer Schändung. Mit der Rekonstruktion solle an die Preußischen Tugenden erinnert und ein Symbol des Glaubens und unserer Identität errichtet werden (Spenderstatements 2015).

Doch was folgt nun daraus, dass die Stiftung ihr Geschichtsbild grundlegend revidiert? Mit diesem neuen Narrativ werden 230 Quadratmeter Ausstellungsfläche im dritten Obergeschoss der Besucher bestückt, d.h. in einem Zwanzigstel des Gebäudevolumens abseits der Hauptbewegungsströme der Besucher. Zugleich hält man an der originalgetreuen Rekonstruktion des Symbolbaus des Nationalprotestantismus als nationalem Tafelsilber fest.

Für das 45 Mio. € teure Bauvorhaben ist die Dauerausstellung ein Feigenblatt, um am eigentlichen Vorhaben trotz anhaltender Kritik ungestört festhalten zu können. Und so verknüpften Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg und Beiratsvorsitzender Prof. Paul Nolte die Präsentation der Ausstellungskonzeption mit der Klarstellung, dass an der architektonischen Planung unverändert und kompromisslos festgehalten werde.

Aber es ist inakzeptabel, dass im 21. Jahrhundert das Bildprogramm des preußischen Nationalprotestantismus ungebrochen nachgebildet wird. Somit manifestiert der visuelle und akustische Bauschmuck wirkungsmächtig im öffentlichen Raum das ungebrochene Wiederaufgreifen alter Traditionen, und nur diejenigen, die in den kleinen abgelegenen Ausstellungsbereich finden, erfahren, dass dieser militaristische (Trophäen), antisemitische (Glockenspiel) und frankophobe (Wetterfahne) Bedeutungen transportiert.

Wir fordern daher, dass aus dem nun korrigierten Geschichtsbild, welches die jahrzehntelangen Begründungen für das Wiederaufbauvorhaben Lügen straft, Konsequenzen für Bauwerk und Stiftung folgen.

Baulich soll auf die Kirchturmhaube und den militärischen Bauschmuck verzichtet und das Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum erhalten werden

Das Erdgeschoss des Turmbaus soll der historischen Vermittlung der Geschichte des Ortes gewidmet werden, die Aktivitäten der Nagelkreuzkapelle können im untergenutzten Heilig-Kreuz-Haus stattfinden.

Die Satzungen der Stiftung und der Fördergesellschaft sollen im Hinblick auf ihre Zielsetzungen und die Zusammensetzung des Stiftungskuratoriums geändert werden. Priorität soll einem Lernort eingeräumt werden, der sich kritisch mit der Geschichte des preußisch-deutschen Nationalprotestantismus befasst.

Mit diesen Schritten würde die Stiftung sich endlich von dem von Max Klaar und der Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel vorgeprägten Wiederaufbaukonzept verabschieden, welches originalgetreuen Wiederaufbau, eine Kapelle als Ort der Verkündigung und die Erinnerung an den Widerstand es 20. Juli vorsah.

Der nun von der Stadt Potsdam initiierte Prozess zur Entwicklung eines inhaltlichen und gestalterischen Konzeptes für den Bereich Garnisonkirche/Rechenzentrum sollte genutzt werden, um zu einer neuen Lösung für den Ort zu kommen.

Potsdam, den 16. März 2021

Prof. Philipp Oswalt,
Carsten Linke
Für den Lernort Garnisonkirche

Prof. Dr. Micha Brumlik
Prof. Dr. Michael Daxner
Prof. Dr. Manfred Gailus
Prof. Dr. Susannah Heschel
Prof. Dr. Horst Junginger
Prof. Dr. Andreas Pangritz
Dr. Agnieszka Pufelska
Für den wissenschaftlichen Beirat Lernort Garnisonkirche

Propst i.R. Michael Karg
Vorsitzender Martin-Niemöller-Stiftung

Online seit: 16. März 2021

Einen Kommentar verfassen:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein Kommentar zu “Alles ist anders, aber bloß nichts ändern

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    mein Name ist Hans Grewe. Soeben habe ich eine Sendung im Deutschlndfunk verfolgt, die sich mit Ihrem Thema Garnisionkirche befaßte. Von 1990 bis ca. 2000 war ich „Geschäftsführer“ des Evangelisch-Kirchlichen-Hilfsvereins, der ja anfangs federführend beim Wiederaufbau des Turms der Garnisionkirche in Potsdam gewesen ist. Mir oblag die Beschaffung und Verwaltung der finanziellen Mittel des EKH und ich hatte entsprechenden Einfluß auch auf den dortigen Vorstand. Ich glaube nicht, daß gegen meinen Willen die ersten 150.00,– €, die zur Gründung der Stiftung geführt haben, bewilligt worden wären.

    Es gab erhebliche Diskussionen im Vorstand und ich denke, es gab hierfür auch eine Mitgliederversammlung (die allerdings fast personenidentisch mit dem Vorstand war).

    Auch privat habe ich nächtelang mit Herrn Leinemann über dieses Thema disskutiert.

    Ich würde gerne meine Erinnerungen, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand, vor allem aber ich selbst dem Wiederaufbau zugestimmt und diesen befördert haben, mit Ihnen teilen.

    Soviel aber bereits jetzt: die uns gegebenen Versprechen hinsichtlich der historischen Einordnung und deren Darstellung im Bauwerk wurden, bis auf das Coventry- Kreuz in keiner Weise eingehalten.

    Ich bin daher sehr traurig aber umso so stolzer darauf, daß es mir gelungen ist, den Verein zum Erhalt des ehemaligen KGB- Gefängnisses in der Leistikowstraße 1 zu bewegen, steht doch jetzt eine Art Mahnmahl der deutschen Geschichte nicht versteckt im Kiefernwald, sondern direkt vor der Nase im Villenviertel der heute Mächtigen.

    Über ein Gespräch mit Ihnen würde ich mich freuen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Hans Grewe

    Munitionsdepot 6
    14793 Buckautal OT Buckau