Rechtmäßigkeit der öffentlichen Förderung fraglich

Rechercheteam Lernort Garnisonkirche

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Kürzlich wurde bekannt, dass der Bundesrechnungshof seit April 2020 die öffentliche Finanzierung des Bauvorhabens Garnisonkirche Potsdam prüft, die inzwischen deutlich über 50% liegt. Ebenfalls hat sich ein Rechercheteam des Lernort Garnisonkirche mit den offenkundigen massiven Ungereimtheiten der Förderung des Projektes befasst und unter anderem zahlreiche Unterlagen bei Bund und Land auf Basis des Informationsfreiheitsgesetz gesichtet. Die Ergebnisse haben wir heute in einem 24-seitigen Recherchebericht veröffentlicht.

Auch wenn in der seit mehr als drei Jahrzehnten andauernden Kontroverse um den Wiederaufbau der Garnisonkirche die inhaltlichen Fragen im Zentrum stehen, waren Themen der Finanzierung immer wieder Teil der Auseinandersetzung. Die mangelhafte gesellschaftliche und demokratische Legitimierung des Projektes schlägt sich in seinen fortgesetzten Finanzierungsproblemen nieder. Das geringe Spendenaufkommen, fehlende Transparenz, widersprüchliche Angaben, anhaltende Finanzierungslücken und steigende Baukosten werfen dabei nicht nur politische, sondern auch haushalts- und förderrechtliche Fragen auf.

Die aktuellen und fortdauernden Finanzprobleme der Stiftung sind nicht irgendwelchen überraschenden Entwicklungen geschuldet, sondern waren vorhersehbar. Das Vorgehen der Stiftung war und ist nicht seriös, und es ist anzunehmen, dass die Stiftung Dinge bewusst verzerrt und beschönigt hat, um die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger damit in die Irre zu führen. Die Finanzsituation wurde mit mehreren Tricks schön gerechnet und damit ein unzutreffendes Bild der finanziellen Bedingungen gegeben. So wurde Unterstützung und Gelder für das Projekt organisiert, die bei einer ehrlichen Darstellung nicht möglich gewesen wäre. Eine Verausgabung der vom Bundestag bereits beschlossen zusätzlichen Mittel sind zudem mit dem Förderrecht nicht vereinbar, da sie „Mehrkosten“ weder unvorhersehbar noch unabweisbar waren. Eine Bewilligung der von der Stiftung beantragten zusätzlichen Förderung über 8,25 würde gegen geltendes Recht verstoßen.

Unser Bericht dokumentiert die Hintergründe der finanziellen Beteiligung des Bundes, die inzwischen fast 100% der 2017 benannten Kosten der geförderten Maßnahme (1. Bauphase Rekonstruktion Turm) erreicht hat. Die Recherchen stellt die Rechtmäßigkeit des ursprünglichen Förderbescheids in Frage, denn die zum 26.10.2017 vom Bund erteilte Förderbewilligung erfolgte, obwohl die erforderliche Gesamtfinanzierung des Projektes offensichtlich nicht gegeben war und bis heute nicht gegeben ist. Dies aus mehreren Gründen:
• Das Projekt wurde in zwei Teilphasen zerlegt, die aber in sich keine eigenständigen abgeschlossenen Maßnahmen darstellen und als solche auch nie so beabsichtigt waren. Es war ein Kunstgriff, um den Eindruck einer gesicherten Finanzierung für die erste Phase darstellen zu können.
• Die Gesamtkosten wurden für den Förderantrag von zunächst ermittelten 40,3 Mio. € auf 35,6 Mio. € heruntergerechnet, ohne dass ein verringerter Maßnahmenumfang dies begründete, sodass wenig überraschend die Gesamtkosten inzwischen laut Angabe der Stiftung Garnisonkirche (SGP) auf 44 Mio. € gestiegen sind. Ebenso wurde für den Förderantrag der Realisierungszeitraum von zunächst über vier Jahren auf unter drei Jahre reduziert. Inzwischen wird von einem Realisierungszeitraum von fünf Jahren ausgegangen.
• Auch für den zukünftigen Betrieb wurde von der ursprünglichen Berechnung wesentlich abgewichen, Kostenansätze reduziert und Einnahmeerwartungen erhöht, um somit pro forma einen für die Förderbewilligung erforderlichen Nachweis eines gesicherten Betriebes darstellen zu können, der aber de facto so völlig unrealistisch ist.
• Die Stiftung und ihr Förderverein lassen die Öffentlichkeit und damit auch ihre Spender*innen über ihre Einnahmen und Ausgaben im Unklaren und verweigern die bei anderen Spendenorganisationen übliche Transparenz (Spendenspiegel, Spenden-TÜV, regelmäßige Offenlegung des Jahresabschlusses, der Finanzplanung und der Prüfberichte einer unabhängigen Wirtschaftsprüfung). Sie haben in der Vergangenheit widersprüchliche und damit zum Teil falsche bzw. irreführende Angaben über Einnahmen und Kosten kommuniziert.

Und nun? Wir fordern
Das Vorhaben und die Tätigkeit der Stiftung Garnisonkirche Potsdam sind – ganz anders als ursprünglich versprochen und über lange Zeit immer wieder zugesagt –  überwiegend aus Steuergeldern von der Allgemeinheit finanziert. Daher ist die Stiftung der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig, zumal sie schrittweise mehr und mehr öffentliche Gelder ein- und abfordert. Wir fordern daher von Stiftung und Fördergesellschaft eine Offenlegung ihrer Finanzen. 
Wir fordern die öffentlichen Geldgeber, insbesondere das BKM auf, bevor diese Offenlegung nicht erfolgt ist und bevor nicht der Abschlussbericht des Bundesrechnungshofs vorliegt, keinerlei neuen Förderungsbewilligungen mehr zu erteilen und damit auch den von der Stiftung im Herbst 2020 eingereichten erneuten Förderantrag einstweilen nicht zu bewilligen.
Poltische Stellungnahmen
Die Oppositionsfaktionen DIE GRÜNEN und DIE LINKE teilen unsere Kritik der öffentlichen Förderung des Vorhaben, und auch MdB Thomas Hacker (FDP) hat sich kritisch hierzu geäußert. Anlässlich der heutigen Veröffentlichung unserer Recherchen äußerte MdB Anja Hajduk, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion und Mitglied im Haushaltsausschuss: „Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist sowohl aus erinnerungspolitischen Gründen als auch wegen der unklaren Finanzierung sehr problematisch. Wir haben daher in den Haushaltsverhandlungen immer wieder gefordert, die Bundesmittel für den Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam zu sperren. Es ist wichtig, dass der Bundesrechnungshof die Finanzierung der Garnisonkirche nun prüft, damit die vielen offenen Fragen geklärt werden können. Bis dies erfolgt ist, dürfen keine weiteren Bundesmittel fließen.“
Norbert Müller, Bundestagsabgeordneter der Linken, aus Potsdam, sagt:
„Seit Jahren droht der Bau der Potsdamer Garnisonkirchenturmkopie ein Fass ohne Boden für die Steuerzahler*innen zu werden. Das Warten auf Spenden für die Stiftung Garnisonkirche wirkt dabei zunehmend bizarr. Erst sollten die Millionenkredite der Kirche einen Spendenboom auslösen, dann die Millionen der Bundesregierung und schließlich der Baustart. Nichts davon ist eingetreten. Die Wahrheit ist: Grade die De-Facto-Garantie der Bundesregierung komme was da wolle Geld nachzuschießen lässt gar keinen Notwendigkeit für die Stiftung mehr offen, sich um Spenden zu bemühen. Die Bundesregierung hat sich längst in die Position des Erpressten gebracht. Diese Situation ist nur noch auflösbar, wenn der Stiftung Garnisonkirche Potsdam endlich der Steuergeldhahn zugedreht wird.“
 
Unser 24-seitige Recherchebericht sowie unsere detaillierte Forderungen finden Sie unterhttps://lernort-garnisonkirche.de/?p=1055
Rechercheteam Lernort Garnisonkirche:
Philipp Oswalt, Lernort Garnisonkirche
Sara Krieg, Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche
Carsten Linke, Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam e.V.

Online seit: 10. Februar 2021

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Ein Kommentar zu “Rechtmäßigkeit der öffentlichen Förderung fraglich

  1. Meiner Meinung kann die Symbolik der Garnisonkirche besser dokumentiert werden, wenn sie nicht originalgetreu, sondern als Ruine mit entsprechendem Museum wieder aufgebaut würde. Denkbar wäre auch ein Abschluß der Bauhöhe auf jetzigem Stand mit Flachdach und begrünt mit Bäumen und Sträuchern, wie es im Baumwipfelpfad in Beelit zu sehen ist. Ein orginalgetreuer Aufbau würde mehr den Wunsch nach alten Zeiten dokumentieren.